Im Gespräch mit Kantorin Annette Wagner

„Ich möchte die klassische Kirchenmusik erhalten und pflegen“

Annette Wagner ist seit Ende 2019 die Kantorin unserer Gemeinde. Presbyterin Manuela Preinbergs  fragte sie nach ihren persönlichen Vorstellungen von Kirchenmusik, ihren Ambitionen, Plänen und den Schwierigkeiten, unter Pandemie-Bedingungen zu arbeiten.

Frau  Wagner, was bedeutet Ihnen Ihre Arbeit?  Ein schöner Beruf oder auch eine Berufung?

Kantorin zu sein, ist für mich tatsächlich auch Berufung. Ich war schon als Kind in der Kirche aktiv, bin u.a. über den Kinder- und Jugendchor und die Orchesterarbeit in meine Heimatgemeinde  hineingewachsen und schließlich zu der Überzeugung gekommen, dass Musik das Medium ist, meinen Glauben auszudrücken und dass ich damit einen beruflichen Beitrag für die Glaubensgemeinschaft leisten kann.

Wichtig war sicher auch, dass ich weibliche Vorbilder hatte. Kantorinnen, die tolle Arbeit machten und mich ermutigten, diesen Weg einzuschlagen.

Eine Kantorin muss nicht nur fachlich fit sein, sondern braucht auch soziale Kompetenzen. Welche „weichen“ Fähigkeiten bringt Annette Wagner mit?

Ich glaube, dass ich grundsätzlich ein positiver Mensch bin und das auch ausstrahle. Wenn ich vor einem Chor stehe und mich für ein Stück begeistere, habe ich das Gefühl, dass sich die Begeisterung auf die  Chormitglieder überträgt. Und ich spüre, wenn jemand bei der Arbeit Probleme hat oder auf Grenzen stößt. Dann versuche ich, ihr oder ihm entgegenzukommen und Brücken zu bauen. Außerdem bin ich sehr gerne mit Menschen zusammen und für sie da. Das ist wichtig für das Gemeinschaftsgefühl und die Voraussetzung für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit.    

Wie  muss  Musik sein, um Gott zu gefallen?  Was sollte sie bewirken?

Schwer zu beantworten, aber ich versuche es mal. Vielleicht sollte sie Menschen zur Ruhe kommen lassen, ihnen helfen Abstand vom Alltag zu gewinnen, sie auf den Gottesdienst, das Gebet und die Predigt einstimmen. Aber eben auch mitreißen, Emotionen auslösen. Und dabei die Stimmungen der Kirchenfeste widerspiegeln: die Freude des Weihnachtfestes, die Passion oder die österliche Hoffnung.

Und welche Musik lieben Sie?

Ich bin in der Klassik zuhause. Das ist das, was ich kann und mag. Ich liebe die  Barockmusik, vor allem Bach. Es ist eine Musik, die jeden ergreift. Wer die Brandenburgischen Konzerte oder eine Passion gehört hat, weiß was ich meine.

Welche Ansprüche stellen Sie an die Qualität Ihrer Arbeit?

Ich möchte die klassische Kirchenmusik erhalten und pflegen. Die vielen tradierten Lieder aus den verschiedenen Epochen immer wieder singen lassen und mit dem Chor der Christuskirche  anspruchsvolle Werke erarbeiten. Außerdem offen sein für gute neue Lieder und sie mit dem Contrapunkt Chor einstudieren.

Manche meinen, dass man bei der Auswahl der Lieder der Jugend mehr Rechnung tragen könnte? Wie stehen Sie dazu?

Mir ist es wichtig, den Gemeindegesang, wie ihn uns Martin Luther in das evangelische Stammbuch geschrieben hat, an die jungen  Menschen weiterzugeben. Man kann und darf das natürlich anders sehen. Manche lieben z.B. den Gospelgesang. Ich habe Respekt vor jedem, der das kann, aber es ist nicht meine Stilistik.  Leider hat mir die Pandemie bisher wenig Gelegenheit gegeben, mich mit unseren Gemeindegliedern über solche Anliegen und Vorstellungen auszutauschen. Das werde ich jetzt nachholen.

Zum Thema Gemeindegesang:  lieber gar nicht als falsch singen?

In jedem Fall mitsingen. Das trainiert die Stimmbänder und schult die Fähigkeit, eine Melodie zu erkennen. Außerdem ist Singen sehr gesund für Körper und Seele. Man singt sich im wahrsten Sinne des Wortes frei. Und man kann ja mit gedämpfter Laustärke anfangen. Also keine Angst vor ein paar falschen Tönen!

Wie halten Sie es mit dem Beifallklatschen: geht oder geht nicht?

Ist völlig in Ordnung, Es muss ja nicht nach jedem Lied sein. Aber ein Applaus nach einem guten Vortrag macht Freude und ist durchaus gerechtfertigt. Oder gegebenenfalls nachdem sich der Pfarrer bei den Musikern bedankt hat.

Bleibt die Orgel das wichtigste Musikinstrument oder ist Konkurrenz in Sicht?

Die Orgel hat es natürlich schwer, weil sie fast nur in Kirchen gespielt wird und weil immer weniger Menschen Gottesdienste besuchen. Deshalb kennen viele das Instrument gar nicht mehr. Ich glaube nicht, dass es ganz verschwindet, weil es eine einzigartige Atmosphäre schafft. Welches Hochzeitspaar möchte schon beim Einzug in die Kirche auf Orgelklänge verzichten? Und im Studium ist das Orgelspiel immer noch gefragt. Natürlich kommen auch Bands und andere Musikensembles sehr gut an. Und deshalb könnte sich in Zukunft so manche Gemeinde für diese Lösung entscheiden.  

Wie hat sich die Pandemie auf Ihre Arbeit ausgewirkt?  Was konnten Sie in dieser Zeit erreichen?

Sie hat die Arbeit sehr eingeschränkt, gemeinsames Singen war ja zum größten Teil nicht möglich oder nur mit Maske. Aber die Chöre sind zusammengeblieben und funktionieren auch. Das war mir wichtig.

Wir haben Video-Konzerte produziert und online gestellt. Der Erfolg ist natürlich schwer einzuschätzen. Das erst Live-Konzert im Advent war gut besucht und kam auch gut an. Und auch ich habe den Eindruck, dass ich in der Gemeinde angekommen und akzeptiert bin. Ich fühle mich sehr wohl hier und hoffe, jetzt endlich planen und mich vor allem um neue Chormitglieder kümmern zu können. 

Glauben Sie, dass Kirchenmusik das Zeug hat, musikbegeisterte Menschen aus den Konzertsälen in die Kirchen zu holen?

Konzertveranstalter arbeiten mit professionellen Musikern. Unsere Sänger und Sängerinnen sind Laien, die hin und wieder instrumental von Profis unterstützt werden. Das hat eine andere Qualität. Dennoch kann ich mir sehr gut vorstellen, dass Menschen, die Kirchenmusik lieben, sie auch gerne da erleben, wo sie entstanden und zuhause ist. 

Ich freue mich deshalb, dass das Presbyterium meinem Vorschlag gefolgt ist, den „Freundeskreis Kirchenmusik“ zu gründen, dem sich Leute anschließen können, die unsere Möglichkeiten, mehr anspruchsvolle und zugkräftige kirchenmusikalische Veranstaltungen anzubieten, mit Spendengelder fördern wollen (siehe Seite 4).  

Möchten Sie unserem Gespräch noch Wünsche oder einen Schlusssatz hinzufügen?

Ich möchte gerne projektbezogen mal wieder ein Kinderchor-Singspiel aufführen, vielleicht zu Weihnachten. Und ich lade alle, die Spaß am Singen haben, herzlich zu unseren Chorproben ein. Wir freuen uns über Zuwachs!

Der Chor der Christuskirche trifft sich immer montags von 19:30 bis 21:00 Uhr, der Contrapunkt Chor von 18:00 Uhr bis 19:00 Uhr.                                     

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Wagner.            


Annette Wagner hat in Düsseldorf Kirchenmusik studiert und das B-Examen absolviert, das Voraussetzung für die Ausübung einer hauptamtlichen Tätigkeit ist. Erste Berufserfahrungen sammelte sie in Düsseldorf-Unterbach. Während der „Erziehungspause“ arbeitete die Mutter von drei Kindern nebenamtlich. Danach in Erkelenz, wo sie auf einer B-Stelle die Chöre und Instrumentalgruppen aufbaute. Im September 2019 wechselte sie nach Kupferdreh.