Wenn in den vergangenen Jahren Arbeiten im Turm der Christuskirche oder im Dachgeschoss über dem Kirchenschiff nötig waren, dann hat es sich empfohlen, vor dem Besteigen der hölzernen Turmtreppe ein inbrünstiges Avemaria zu beten und ansonsten darauf zu hoffen, dass man irgendwann wieder heil den Boden erreichte. Der Aufgang zum Dachboden und zu den Glocken war schon in einem sehr Dritte-Welt mäßigen Zustand: Balken morsch, das Geländer lose, von fehlenden Sicherungen der Luken ganz zu schweigen. Diese Mängel brachten es mit sich, dass die vielerorts bei Gemeindefesten oder am „Tag des offenen Denkmals“ so beliebten Kirchturmbesteigungen nicht angeboten werden konnten. Deshalb kam die Idee auf, die fast 150 Jahre alte Treppenanlage komplett zu entfernen und durch eine metallene Gerüsttreppe zu ersetzen.
Dank der Initiative von Peter Walldorn – in der Bauabteilung des Kirchenkreises zuständig für Kupferdreh – konnte auf die Gerüsttreppe verzichtet werden. Er erinnerte sich an die gemeindeeigene Tischlerei der Kirchengemeinde Borbeck, die von Tischlermeister André Hahn geleitet wird und holte von ihm ein Angebot ein. Das hat dann auch vom Presbyterium den Zuschlag erhalten.
Die Werkstatt ist in den 1980er Jahren aus „Arbeiten und Lernen“-Projekten entstanden, in denen arbeitslose Jugendliche ohne Schulabschluss in einer Art „Arbeitsschule“ ihren Hauptschulabschluss nachholen konnten. In der Folgezeit entwickelte sich die Werkstatt zu einem Ort der Berufsorientierung, Qualifizierung und Beschäftigung vor allem für Menschen mit Migrationshintergrund. Die Werkstatt führt Reparaturen und Neuanfertigungen im Tischlerbereich aus, kann aber auch kleinere Arbeiten im Baubereich übernehmen.
André Hahn und sein aus der Ukraine stammender Helfer Ushangi Tskaruashvili haben in wochenlanger Arbeit Bretter ausgewechselt, Balken erneuert und Geländer gesichert. Man spürte ihnen ab, dass dieser Auftrag eine persönliche Herausforderung für sie bedeutete, der sie sich mit Ausdauer und Akribie gestellt haben. Das Ergebnis kann sich sehen lassen.

Trotzdem ist die jetzige Situation für Leute mit Höhenangst immer noch ziemlich gruselig. Öffentliche Führungen oder Besichtigungen mit Konfirmanden sind weiterhin nicht möglich. Aber man muss jetzt wenigstens keine Angst mehr um das Leben oder zumindest die körperliche Unversehrtheit des Glockenwarts und anderer Handwerker haben. Hinzu kommt, dass die Reparatur weitaus kostengünstiger war als die Gerüsttreppe und zudem viel vom vorhandenen hölzernen Bestand erhalten werden konnte. Letzteres freut dann auch den Denkmalschutz.
Reinhard Laser